Neuauflage: "ADHS & Dyskalkulie als Talentsignal"

 

Eine gute Nachricht für Eltern, Lehrer, Davis-Berater und alle, die sich über die Davis-Methode informieren möchten: Das Buch "Die unerkannten Lerngenies" erscheint schon bald in neuer Auflage in deutscher und französischer Sprache. Der neue Titel: "ADHS & Dyskalkulie als Talentsignal". 

 

Ronald D. Davis stellt in seinem Buch neue und in der Praxis bewährte Methoden bei ADHS, Rechenschwäche und Handschriftproblemen vor. Er beschreibt Hintergründe und präsentiert viele Übungen, die durch Bilder und Schritt-für-Schritt-Anleitungen anschaulich dargestellt werden. 

Entstanden ist ein Praxisbuch, das sich nicht nur konsequent an den Bedürfnissen von anders lernenden Kindern orientiert, sondern auch deren Eltern und Lehrern hilft, die Welt und Sichtweise eben dieser Kinder besser zu verstehen.

 

Einen Auszug aus dem Buch gibt es schon jetzt hier: 

Rechenschwäche (Dyskalkulie) muss nicht sein

Das Wort Dyskalkulie bedeutet, dass jemand Schwierigkeiten mit dem Rechnen oder der Mathematik hat. Von Akalkulie spricht man, wenn jemand überhaupt nicht rechnen kann.

Pädagogen und Erziehungspsychologen meinen mit diesen Bezeichnungen, dass jemand Probleme damit hat, zu lernen, wie man beim Zusammenzählen, Abziehen, Malnehmen und Teilen mit Zahlen umgeht. Sie können auch bedeuten, dass jemand Probleme hat, mit Hilfe von Zahlen und Symbolen die Beziehungen zwischen Mengen und Größen zu untersuchen oder auszudrücken.

Ein Schüler mit Dyskalkulie verrechnet sich vielleicht bei einfachen Aufgaben und kommt zu Ergebnissen wie: 2x5 = 7. Hier erkennt man den Bezug zur Legasthenie beim Lesen auf den ersten Blick. Mathematische Symbole haben eine eigene Sprache, demnach können sie, genauso wie die Buchstaben des Alphabets, falsch gelesen oder vertauscht werden. Ein weiteres recht häufiges Symptom ist das Zählen mit Hilfe der Finger oder mittels aufgemalter Striche, anstatt mit Ziffern. Oft geht eine Dyskalkulie mit verwandten Problemen auf anderen Gebieten einher. Ein Schüler mit Rechenschwäche hat vielleicht auch Schwierigkeiten damit:

  • rechts und links zu unterscheiden,
  • Anordnungen einer vorgegebenen Reihenfolge zu befolgen,
  • Landkarten zu lesen,
  • die Uhr zu lesen,
  • pünktlich zu sein,
  • Noten zu lesen,
  • sich im Sport oder beim Tanzen geschickt zu bewegen,
  • sich an die korrekte Reihenfolge von Dingen zu erinnern.

 

Mathematik und Rechnen

Ehe wir uns mit den soeben geschilderten Problemen beschäftigen, müssen wir jedoch die Ausdrücke Mathematik und Rechnen (Arithmetik) klar definieren. Im Gegensatz zum landläufigen Verständnis bedeuten sie nämlich längst nicht dasselbe. Mathematik wird im The New Lexicon Webster's Dictionary folgendermaßen definiert: Wissenschaft, um die Beziehungen zwischen Mengen und Größen zu untersuchen und durch Zahlen und Symbole auszudrücken. Im selben Wörterbuch wird Arithmetik so definiert: Die Handhabung von Zahlen durch Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division.

Dieses Wörterbuch, das meiner Ansicht nach eines der besten ist, stellt nicht einmal eine Verbindung zwischen den beiden Begriffen her. Außerdem wird darin behauptet, dass Mathematik eine Wissenschaft sei, obwohl sie meiner Meinung nach nur ein von der Wissenschaft verwendetes Werkzeug ist. Mathematik zu verwenden, also zu rechnen, ist eine Kunst und keine Wissenschaft. Zugegebenermaßen hat diese Kunst sehr strenge Regeln, aber es ist und bleibt eine Kunst.

Anhand der folgenden Überlegung wird der Unterschied deutlicher: Rechenvorgänge sind die Werkzeuge, mit denen die Mathematik erschaffen wird. Mathematik ist die Erforschung der unbekannten Wildnis und Rechnen ist die Werkzeugsammlung, mit deren Hilfe diese erkundet und dokumentiert wird. Man könnte also sagen, dass Mathematik ausgeführt wird, indem die geeigneten Rechenwerkzeuge verwendet werden.

Für einen in Wörtern denkenden Erwachsenen sind diese Definitionen deutlich und genau. Für ein in Bildern denkendes Kind können sie dagegen wie eine solide Backsteinmauer sein oder wie ein schwarzes Loch im All. Deshalb will ich an dieser Stelle präzise Definitionen für diese beiden Worte formulieren, die genau zu unseren Zielen passen.

Rechnen:  Eine Menge durch Zählen oder durch die Handhabung von Zahlen bzw. Ziffern durch Zusammenzählen, Abziehen, Malnehmen und Teilen bestimmen.

Mathematik: Die Kunst, Mengen festzustellen, die verwendet werden, um Beziehungen zwischen Mengen und Größen zu untersuchen und auszudrücken, und zwar mittels der Verwendung von Zahlen, Ziffern und Symbolen.

Laut dieser Definitionen haben das Rechnen und die Mathematik den gleichen Zweck: Mengen festzustellen. Es folgen spezifische Definitionen für einige der Wörter, die in diesem Kapitel verwendet werden.

Zahl: Die Menge, die vorhanden ist oder bedacht wird.

 

Ziffer: Ein Symbol, das eine Menge darstellt.

 

Menge: Der tatsächliche Wert, die tatsächliche Summe oder Anzahl, der bzw. die  vorhanden istoder bedacht wird.

 

Zahlen und Ziffern

Den umgangssprachlichen Gebrauch dieser beiden Wörter habe ich für unsere Zwecke ein klein wenig verändert. Ich unterscheide hier nämlich deutlich zwischen einer Zahl und einer Ziffer. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden sie nämlich in der Regel als gleichbedeutend verwendet. Um aber Rechen- und andere mathematische Vorgänge durchführen zu können, müssen wir den Unterschied zwischen beiden kennen. Stellen Sie sich ein Haus mit der Hausnummer 231 vor. Sie ist über die Tür gemalt. Die Zahl des Hauses ist eins, weil hier eben nur ein einziges Haus steht, welches durch die Ziffer 231 identifiziert wird. Die gemalte 231 über der Tür stellt eine Serie symbolischer Ziffern dar.

 

Mengen bestimmen

Eine weitere Veränderung hat mit dem Wort Menge zu tun. Eine Menge kann bestimmt werden, indem man einfach erkennt, wie viele Dinge vorhanden sind, oder aber durch Zählen. Fallen zwei oder drei Äpfel von einem Baum herunter, wissen die meisten Menschen sofort, wie viele am Boden liegen. Wenn erst einmal mehr Äpfel am Boden liegen, als man auf den ersten Blick sehen kann, wird die Sache komplizierter. Um deren Anzahl festzustellen, müssen wir jeden einzelnen Apfel mit Hilfe einer Reihenfolge von Ziffern identifizieren.

Unter Zählen versteht man das Feststellen einer Menge, indem man eine Reihenfolge von Ziffern verwendet. Bei wirklichen Dingen und Mengen ergibt dies durchaus einen Sinn. Wenn Sie aber anfangen, die Häuser in einer bestimmten Straße zu zählen, bis Sie zu einem Haus kommen, über dessen Tür die Ziffer 231 gemalt ist, dann werden Sie ganz sicher bei einer anderen Ziffer in der Reihenfolge angekommen sein.

 

Bilderdenken und Mathematik

Für viele Schüler sind die Probleme mit der Mathematik und dem Rechnen auf die Art zurückzuführen, wie dieses Fach in der Schule vermittelt wird. Der Unterricht spielt sich typischerweise hauptsächlich in Worten ab und mit Begriffen, die in Worte gefasst sind. Aber die Prinzipien und Funktionen von Rechnen und Mathematik sind nicht sprachlicher Natur, sondern bildhaft. Sie können sehr leicht visualisiert werden, auch wenn es schwer ist, die einzelnen Begriffe mit Worten zu erklären.

Ich konnte zum Beispiel mit acht Jahren schon komplizierte Aufgaben aus der Trigonometrie lösen, obwohl ich als »geistig behindert« galt. Meine Mutter fürchtete, dass man mich einen »Idiot Savant« nennen würde, also bestand sie darauf, dass ich dem Rechenunterricht fernbleiben müsse. Den Algebra-Unterricht in der neunten Klasse durfte ich trotz ihrer Anweisung dann jedoch wieder besuchen. Obwohl ich jede einzelne Algebra-Gleichung lösen konnte, bin ich in diesem Fach durchgefallen, weil ich nicht erklären konnte, wie ich zu der Antwort gekommen war. Der Lehrer verlangte von mir, dass ich mit einem Bleistift auf dem Papier rechnete und dabei Ziffern verwendete. Und das konnte ich nicht. Als ich fünfzehn Jahre alt war, zeigte mir endlich eine Freundin, wie man mit einem Bleistift rechnet. Von da an konnte ich den jeweiligen Lösungsweg auch auf dem Papier darstellen.

 

Verbale und nonverbale Begriffsbildung

Um zur Wurzel eines Mathematik-Problems vorzudringen, müssen wir die Variablen bedenken, die es beeinflussen. Also wollen wir zunächst einiges von dem, was wir schon behandelt haben, kurz rekapitulieren. Das Wichtigste, was wir bedenken wollen, sind die beiden verschiedenen Arten zu denken, die wir im ersten Kapitel abgehandelt haben: Verbale Begriffsbildung bedeutet, hauptsächlich im Klang von Worten und Symbolen zu denken. Nonverbale Begriffsbildung bedeutet, hauptsächlich in Bildern denken.

»Logisch durchdenken« verglichen mit »Lösung sehen«

Beide Arten zu denken können eingesetzt werden, um eine Menge zu bestimmen. Wer beim Rechnen in Worten denkt, geht logisch vor, indem er Mengen mittels einer Reihenfolge erinnerter Schritte bestimmt. Das heißt, der Betreffende »redet« sich selbst mental durch eine Reihe erinnerter Prozesse hindurch, »um die Lösung zu finden«. Je schwieriger die Aufgaben werden, desto mehr Regeln gibt es, an die er sich erinnern muss, desto mehr einzelne Schritte gibt es, die vollzogen werden müssen, mit mehr Ordnungen und Reihenfolgen, die eingehalten werden müssen. Bis wir beim Teilen von dreistelligen Ziffern angekommen sind, ist alles schon hoch kompliziert.

Jemand, der bildhaft rechnet, bewegt dagegen lediglich eine Serie mentaler Bilder, die zum richtigen Ergebnis führen. Lassen Sie uns doch mal eine einfache Aufgabe anschauen: Vier Freunde haben eine Dose mit zwölf Keksen und wollen sie gerecht unter sich aufteilen. Wie viele Kekse bekommt dann jeder von ihnen?

Jemand, der in Worten denkt, durchläuft diesen Prozess in etwa so:
  1. verteilt auf vier Freunde
  2. jeder bekommt gleich viel
  3. das bedeutet zwölf Kekse geteilt durch vier Freunde,
  4. also, zwölf geteilt durch vier
  5. zwölf geteilt durch vier ist drei
  6. also bekommt jeder der vier Freunde je drei Kekse
  7. also ist die Lösung drei.
Jemand, der in Bildern denkt, sieht in etwa folgende Bilderserie ablaufen:
  1. eine Keksdose mit ihm selbst und drei anderen Kindern darum herum
  2. dann nimmt jedes Kind einen Keks
  3. dann nimmt jedes Kind noch einen Keks
  4. dann nimmt jedes Kind noch einen Keks und nun ist die Dose leer
  5. also hat er jetzt drei Kekse und das ist die Lösung

Der Wortdenker arbeitet sich durch die Aufgabe hindurch, indem er Symbole verwendet, während der Bilderdenker unterschwellig ein Muster von Formen und Farben innerhalb von mentalen Bildern erkennt. In diesem Beispiel benötigte der Wortdenker acht Schritte und mehrere Sekunden, um die Lösung herauszufinden, während der Bilderdenker nur fünf Schritte und den Bruchteil einer Sekunde brauchte.

Der Wortdenker könnte jeden dieser Schritte beschreiben und genau erklären, wie er zu der Lösung gekommen ist. Der Bilderdenker wäre sich nicht einmal der Bilder bewusst, welche er verwendet hat. Es ist alles so schnell passiert, dass er es nicht erklären oder beschreiben kann. Soll er es trotzdem tun, so würde die beste Erklärung, mit der er aufwarten kann, in etwa lauten: »Ich bekomme nur drei Kekse.« Für die meisten Lehrer wird diese Antwort nicht ausreichend sein.

Die beschriebenen Vorgänge also können beide verwendet werden, um eine einfache Aufgabe zu lösen, und beide liefern die richtige Lösung. In Bildern denkende Schüler rechnen mit einer natürlichen, räumlich-visuellen Methode, aber in den Klassenzimmern, in denen Mathematik, Ingenieurswesen, wissenschaftliche Fächer, Buchhaltung oder ein anderes Fach, bei dem man rechnen muss, unterrichtet werden, ist nur die Methode der Wortdenker akzeptiert.

Trotzdem müssen wir auf der räumlich-visuellen Methode aufbauen. Ein Bilderdenker gebraucht durchaus die Grundprinzipien des Rechnens. Die Rechenregeln, so wie sie in der Schule vermittelt werden, sind nur ein Ausdruck dieser auf Sprache reduzierten Prinzipien. Unser Ziel ist daher, dem Schüler bei diesem Übergang behilflich zu sein.

 

Schwierigkeiten mit Symbolen

Manche Schüler können nicht sehr gut im Klang von Worten denken. Vielleicht können sie es sogar überhaupt nicht. Wir müssen bedenken, dass es für sie keinesfalls natürlich oder normal ist, sich in Gedanken durch eine Aufgabe »hindurchzureden«.

Genauso problematisch ist es für sie, sich numerische Manipulationen vorzustellen. Das heißt, es fällt ihnen schwer, zu rechnen, indem sie sich Ziffern vor einem leeren Feld vorstellen, zum Beispiel an einer Tafel oder auf einem Blatt Papier. Dies mag für einen Wortdenker kaum nachzuvollziehen sein, aber die Erklärung ist einfach: Für einen Wortdenker bedeuten die Wörter Ziffer und Zahl dasselbe. Für einen Bilder-Denker aber ist eine Zahl die Menge tatsächlich vorhandener Objekte. Eine Ziffer ist nur ein Symbol, das auf dem Papier erscheint. Es ist leicht, sich etwas Wirkliches, Reales vorzustellen, weil seine Bedeutung ihm schon innewohnt. Bei Symbolen ist das nicht so. Ein Symbol hat lediglich eine zugewiesene Bedeutung, die ihm nicht innewohnt. Die Wichtigkeit oder Bedeutung eines Symbols muss aus der Erinnerung eines Menschen kommen.

 

Mengen erkennen

Um das Rechnen zu verstehen, müssen wir den visuellen Aspekt von mentalen Bildern untersuchen. Ein mentales Bild kann eine Anzahl von Formen enthalten. Das Aussehen und die Farbe der Formen bestimmen die Identität der einzelnen Teile. Nehmen wir zum Beispiel das Bild einer Landschaft, in dem Bäume, ein See und im Hintergrund ein schneebedeckter Berg zu sehen sind. Wodurch unterscheidet sich der Baum von dem See und dem Berg? Es sind seine Form und Farbe, die uns ermöglichen, diesen Teil des Bildes als einen Baum zu erkennen.

Wie viele Bäume gibt es in dem Bild? Hier wird eigentlich gefragt: Wie viele Teile des Bildes erkennen wir als Bäume? Das Wesen des Rechnens besteht darin, die Menge der individuellen Teile zu bestimmen. Dies ist das Grundprinzip, aus dem alle Rechenregeln abgeleitet werden. Hier fangen das wirkliche Verstehen und das Ausführen des Rechnens erst an.

 

Wirkungen der Desorientierung

Für jemanden, der nicht desorientiert ist, geht die Zeit ziemlich gleichmäßig dahin. Jede Sekunde ist genauso lang wie die andere. Minuten und Stunden haben ebenfalls eine gleichmäßige Länge. Noch bevor er in die Schule kommt, wird dieser Mensch ein inneres Gefühl für den Ablauf der Zeit entwickeln.

Obwohl Bilderdenker von sich aus mit den Prinzipien des Rechnens denken können, so stellt Desorientierung durchaus immer noch ein Problem dar. Jemand, der oft desorientiert ist, kann in der Schule Schwierigkeiten haben, wenn er rechnen lernt, und zwar aufgrund der Symbole und der Sprache, die verwendet werden.

Diese Probleme können selbst dann auftreten, wenn ein Kind keine Langzeit-Desorientierungen erlebt oder sich aus Gewohnheit in eine irreale Welt hineinträumt. Schon mehrere kurze Desorientierungen am Tag können genügen, um den Schüler zu verwirren und sein Erleben der Dinge zu verändern.

 

Zeitschwankungen

Weil Desorientierungen die Wahrnehmung der Zeit verändern, scheint sie für den Betreffenden nicht gleichmäßig abzulaufen. Dadurch entwickelt sich bei ihm kein inneres Gefühl für den Ablauf der Zeit. Wird dies nicht behandelt und korrigiert, haben viele Schüler ihr Leben lang Schwierigkeiten mit den verschiedenen Gesichtspunkten von Zeit. Die Welt um sie herum wird nach ihrem Empfinden langsamer oder schneller ablaufen, noch dazu in einer Art, die sie weder erkennen noch kontrollieren können. Dies ist der Grund, warum Schüler mit Rechenproblemen oft auch Schwierigkeiten mit der Pünktlichkeit, dem Ausführen von Anweisungen, oder jeglicher Aktivität haben, die das Befolgen einer Reihenfolge erfordert.

Eine falsche Zeitwahrnehmung führt unweigerlich zu Schwierigkeiten im Rechnen, weil ein Mensch ohne innewohnendes Zeitgefühl niemals eine korrekte Vorstellung von einer Reihenfolge entwickeln kann. Wenn die Begriffe Zeit und Reihenfolge fehlen oder nicht korrekt sind, sind die Begriffe Ordnung und Konsequenz ebenfalls nicht richtig ausgebildet.

 

vorher, während und nachher

Der Grund dafür ist in den mechanischen Abläufen zu suchen, die man zum Rechnen mittels Logik und Beweisen braucht. Wenn man Mathematik- oder Rechenaufgaben löst, wird immer nach der Konsequenz einer spezifischen Handlung gefragt. Von dem mechanischen Ablauf her gesehen, tut man beim Lösen einer Rechenaufgabe Folgendes: Man verwendet die Begriffe von Zeit, Reihenfolge und Ordnung, um ein Resultat zu bekommen. Wenn wir zum Beispiel sechs Kekse haben und noch zwei Kekse dazuzählen, wie viele Kekse sind es dann insgesamt? Die Konsequenz davon, dass man zwei den sechsen hinzufügt, ist acht. Der Grund für die Zahl Acht sind die beiden zusätzlichen Kekse, die zu den sechs bereits vorhandenen dazugezählt wurden.


Zeit als mathematischer Begriff

Konsequenz wird eigentlich durch den Begriff Zeit bestimmt - eine Veränderung fand statt. Für unsere Zwecke definieren wir Zeit ganz einfach als das Messen von Veränderung im Vergleich zu einem Standard. Wir messen mit Uhren nicht wirklich die Zeit selbst; wir messen nur die Veränderung. Die Standards beruhen darauf, dass die Erde sich um ihre eigene Achse und um die Sonne dreht. Unsere Uhren zählen demnach lediglich in Harmonie mit diesen Standards.

Wenn also zwei neue Kekse zu den sechs vorhandenen hinzukommen, beinhaltet die gemessene Veränderung acht Kekse, die nun insgesamt vorhanden sind. Acht ist die Konsequenz der Veränderung, die stattgefunden hat. Aus dieser Perspektive gesehen wird die Lösung einer jeden Rechenaufgabe in derselben Form wie Zeit ausgedrückt, weil die Lösung die gemessene Veränderung ist.

Wir wollen uns das Keksbeispiel nun noch einmal ansehen und seine Beziehung zu den Begriffen Konsequenz, Zeit, Reihenfolge und Ordnung auswerten, so wie sie in Kapitel 2 beschrieben sind: »Wenn wir sechs Kekse haben und wir zählen noch zwei Kekse dazu, wie viele Kekse haben wir dann?«

Begriffe

  • Konsequenz: Etwas passiert als Folge von etwas anderem.
  • Zeit: Das Messen von Veränderung.
  • Reihenfolge: Die Art und Weise, wie Dinge aufeinander folgen.
  • Ordnung: Dinge am richtigen Platz, in der richtigen Lage und im richtigen Zustand.

Auswertung

  • Vorher: »Wenn wir sechs Kekse haben« – Ordnung – sechs Kekse existieren am selben Ort.
  • Während: »und wir zählen noch zwei Kekse dazu« – Reihenfolge – zwei Kekse folgen sechs Keksen, daher wiederum Ordnung – zwei zusätzliche Kekse existieren am selben Ort.
  • Nachher: »wie viele Kekse« – Zeit/Messen der Veränderung »haben wir dann?« – Konsequenz – zwei zusätzliche Kekse zu den sechs Keksen ergibt acht Kekse.

Das Prinzip ist stets gleich, egal ob wir die Umlaufbahn eines Planeten ausrechnen, die Schubkraft einer Rakete oder die Anzahl Kekse, die aus der Dose genommen wurden. Mechanisch werden all diese Aufgaben unter Verwendung derselben vier Grundbegriffe gelöst. Sobald einer oder mehrere dieser Begriffe fehlen, kann man nicht mehr nachvollziehen, wie Mathematik und Rechnen funktionieren. Wenn man etwas ausrechnet, wendet man dann nur auswendig gelernte Vorgänge an, ohne wirklich zu verstehen, warum etwas geschieht.

Hat Ihr Schüler einmal die Fähigkeit erlangt, seine Wahrnehmung bewusst zu orientieren, wird er diese Grundbegriffe durch Symbolbeherrschung meistern können, indem er Szenen aus Knete herstellt. Dann ist er bereit, Rechenprinzipien bildhaft zu erlernen und schließlich dazu überzugehen, mit Ziffern auf Papier zu rechnen. Nun sollte er dem Unterricht ganz normal folgen können.



Auszug aus "ADHS & Dyskalkulie als Talentsignal" von Ronald D. Davis. Erscheint in Kürze.

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