Die Theorie hinter den Davis-Korrektur-Methoden

1994 änderte sich das Leben meines Sohnes vollständig, als wir ein paar einfache Übungen versuchten, die wir in dem neuveröffentlichten Buch, "The Gift of Dyslexia" (dt. "Legasthenie als Talentsignal") von Ron Davis, entdeckten. Nach Jahren der Anstrengung, Tränen, Frustration und Ärger schienen sich die Leseprobleme meines Sohnes innerhalb von weniger als einer Stunde nachdem wir angefangen hatten, die erste beschriebene Übung zu machen, fast magisch aufzulösen.

Die Qual des Lesens wich einem freudigen Anstieg von Entdeckungen, mit denen mein Sohn begierig neu erkannte Fähigkeiten übte. Der kleine Junge, damals 11, der sich durch Lesematerial der 3. Klasse kämpfen musste, wurde ein unersättlicher Leser, der den Klassendurchschnitt innerhalb weniger Monate überstieg.

 

Ich war erfreut und verblüfft über die schnellen Veränderungen, die ich bei meinem Sohn feststellte, war aber bald enttäuscht zu erfahren, dass viele Lehrer skeptisch gegenüber seinem Lösungsansatz waren. Trotz der Tatsache, dass Ron Davis eine nachweislich 15-jährige lange Erfolgsgeschichte hinter sich hatte, bevor er sein erstes Buch schrieb, wurde seine Arbeit von vielen Pädagogen und etablierten Legasthenie-Organisationen wegen seiner innovativen und ungewöhnlichen Methode abgelehnt.

 

Ron Davis Entdeckung

Ron Davis, selbst ein sehr stark legasthener Erwachsener, fand heraus wie er seine eigene Legasthenie korrigieren konnte, bevor er überhaupt begann jegliche Theorien zu entwickeln, um anderen zu helfen. Bis zu seinem 38. Lebensjahr hatte er immer die offiziellen Behauptungen der Experten akzeptiert, die ihn als geistig behindert diagnostizierten. Obwohl er einen gemessenen IQ von 160 hatte, verstand er, dass er niemals in der Lage sein würde, ohne beschwerlichen Kampf Lesen oder Schreiben zu können, weil angeblich mit seinem Gehirn etwas völlig falsch war.

Irgendwann bemerkte er, dass seine Legasthenie manchmal schlimmer wurde. Als ausgebildeter Ingenieur schlussfolgerte er, dass er, wenn er herausfinden könnte, wodurch sich seine Legasthenie verschlimmerte, dabei auch zufällig auf den Schlüssel für eine mögliche Verbesserung stoßen könnte. Den ersten Anhaltspunkt lieferte seine künstlerische Arbeit:  Er stellte fest, wenn er künstlerisch in Bestform war, war seine Legasthenie am schlimmsten.

Also schloss er sich in einem Hotelzimmer ein und arbeitete damit, seine Legasthenie zu verschlechtern. Anschließend arbeitete er daran, diese zu verbessern. Nach drei Tagen kam der Zeitpunkt, an dem die Buchstaben auf den Hotelzimmerkarten plötzlich leserlich für ihn wurden.
Fassungslos, dass die Buchstaben alle die gleiche Größe hatten und dass ein Zwischenraum zwischen
den Worten war, ging er zu einer öffentlichen Bücherei, nahm sich das Buch "Die Schatzinsel" aus dem Regal, setzte sich hin und las es Seite für Seite, bis die Bücherei an dem Tag schloss.
Das war nicht die Problemlösung der Legasthenie, aber es war der Anfang einer Reise. Davis teilte seine Ideen mit anderen und entdeckte zu seiner Überraschung,dass die meisten seiner Künstler- Freunde auch Legastheniker waren. Mit Hilfe einer Versuch-und- Irrtum Herangehensweise, entwickelte er eine verlässliche Methode, um anderen zu helfen ihre Legasthenie zu überwinden. Ungefähr ein Jahr später eröffnete er sein erstes Leseinstitut.

 

Die Davis-Legasthenie-Theorie

Die Davis Theorie entstand als Möglichkeit, aus dieser anfänglichen Versuch-und Irrtums Vorgehensweise zu erklären, warum die Davis-Methode funktioniert.
Statt mit einer Theorie zu starten und dies als Basis zu benutzen, um die Methode zu entwickeln, arbeitete Ron Davis von der Problemlösung aus rückwärts. Das tiefere Verständnis der Theorie machte die Versuch-und- Irrtum-Methode überflüssig und ermöglichte die Entwicklung zusätzlicher Hilfsmittel und Techniken.


Die Davis-Theorie kann wie folgt zusammengefasst werden:
Alle Legastheniker sind primär bildhafte Denker: Sie denken lieber, häufiger und schneller in Form von geistigen oder sensorischen Bildern, als dass sie Worte und Sätze benutzen oder Selbstgespräche im Geiste führen. Weil diese Art und Weise des Denkens sich im Unterbewusstsein abspielt - schneller als die Person sich dessen bewusst wird - wissen die meisten Legastheniker nicht, dass sie dies tun.

Weil Legastheniker in Bildern oder mit Hilfe ihrer Vorstellung denken, sind sie geneigt generell Logik und logisches Denken beim Betrachten des Geamtbilds zu verwenden um damit die Welt um sich herum zu verstehen. In der Regel sind sie sehr gute Strategen, häufig künstlerisch begabt, haben gute praktische Fähigkeiten und können erfolgreich reale (handfeste) Probleme lösen, aber neigen zu Schwächen bei verbalen, sequentiell fortschreitenden Schritt-für- Schritt Schlussfolgerungen. Wenn man ein Bild von einem Hund betrachtet, bewegt man seine Wahrnehmung nicht vom Schwanz zum Hinterteil, zu den Beinen, zu den Schultern, zum Kopf, zu den Ohren, zur Nase, um herauszufinden, dass dies ein Hund ist. Man siehst alles auf einmal und schlussfolgert "Hund".


Wenn der größte Teil des Denkens in Bildern stattfindet, gewöhnt man sich daran, Dinge oder Situationen beim Betrachten als Ganzes wahrzunehmen und zu betrachten.
Dadurch, dass Legastheniker hauptsächlich in Bildern denken, neigen sie ebenfalls dazu, ein sehr starkes Vorstellungsvermögen zu entwickeln und lösen Probleme eher durch die Verwendung von bildhaften oder gefühlsmäßigen Denkprozessen als durch verbales Denken.
Wenn sie zunächst verwirrt (oder gespannt) sind, drehen sie sich in der Vorstellung um das Objekt herum, um es von verschiedenen Blickpunkten und -winkeln zu betrachten. Mit Hilfe dieses gedanklichen Vorgangs, entwickeln sie viele einzigartige Fähigkeiten und Talente.


Diese Fähigkeit kann ebenso die Grundlage für ein Problem sein. Während einer Desorientierung
erlebt eine Person Ihr eigenes Denken als Realität. Viele Leute erfahren z.B. einen Zustand der Desorientierung, wenn sie ein optisches Trugbild betrachten oder wenn sie verwirrenden Sinnesreizen ausgesetzt sind, so wie sie durch Geräte in Vergnügungs- oder Freizeitparks absichtlich verursacht werden. Für Legastheniker ist die Desorientierung eine Alltäglichkeit; es ist sowohl ihre natürliche, mentale Antwort auf jede Verwirrung, als auch bei kreativer Problemlösung.

Legastheniker scheinen mit unrealistischen Objekten und Symbolen wie Buchstaben und Zahlen
Schwierigkeiten zu haben. Bei ihrer Bemühung, Symbole in gleicher Weise wie einen Fahrzeugmotor oder ein technisches Diagramm begreifen zu wollen, können sie verwirrt werden. Dies führt dann zu bekannten Symptomen wie das Ersetzen, Weglassen, Umkehren oder Vertauschen von Buchstaben und/oder Wörtern beim Lesen und Schreiben.
Desorientierung wird nicht nur durch optische Reize ausgelöst; viele Legastheniker verstehen häufig auch Wörter oder die Reihenfolge von Wörtern in Sätzen falsch oder verstümmeln diese. Ihr Zeitgefühl kann verzerrt werden, ihre Feinmotorik verzögert oder unbeholfen erscheinen.

Die sich wiederholenden Fehler hervorgerufen durch Wahrnehmungsverzerrung als Folge der Desorientierung, führen unweigerlich zu gefühlsmäßigen Reaktionen, Frustration und Verlust des Selbstwertgefühls. In dem Bemühen, dieses Dilemma zu lösen, wird jeder Legastheniker eine Reihe von Bewältigungsmechanismen und zwanghaften Verhaltensweisen entwickeln, um diese Probleme zu umgehen.

 

Ron Davis nennt sie "alte Lösungen". Mechanisches Auswendiglernen, das Alphabetlied, die Mutter dazu bringen die Hausaufgaben zu machen, impulsives Verhalten, unleserliche Handschrift, um die mangelhafte Rechtschreibung zu vertuschen, geschicktes Vertuschen und die Vermeidung jeglicher schulischer Hausaufgaben sowie Leseaufgaben sind nur einige Beispiele. Diese "alten Lösungen" können bereits im Alter von 6 oder 7 Jahren entwickelt werden. Ein erwachsener Legastheniker wird ein ganzes Repertoire solcher Verhaltensweisen haben. Dies ist nun die gesamte Bandbreite der Symptome, Charakteristika und Verhaltensweisen, die im Allgemeinen mit Legasthenie in Zusammenhang gebracht werden.


Der maßgeblichste Aspekt der Davis-Theorie für die Auflösung der Legasthenie ist die Beobachtung, dass, wenn ein gehörtes Symbol - ein Wort - kein Bild vermittelt und die Bedeutung für den Legastheniker fehlt, Desorientierung und Fehler die Folge sind.
Wenn wir einem Legastheniker zeigen, wie er die Desorientierung sobald sie auftaucht ausschalten kann und ihm dann helfen, den Auslöser der Verwirrung zu finden und zu bewältigen, beginnen die Probleme beim Lesen und Schreiben zu verschwinden. Ebenso wie die "alten Lösungen".

 


von Abigail Marshall © 1999, 2005

 

 

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