Das Projekt des ISTITUTO BOTTICELLI in Florenz

Eine Premiere in Italien: Im Schuljahr 2014-2015 wurde zum ersten Mal ein Schulprojekt zur Prävention von Legasthenie durch die Davis-Lernstrategien realisiert. Über 20 Jahre ist es her, dass Sharon Pfeiffer in Amerika und andere Fachleute aus der ganzen Welt die Davis-Lernstrategien entwickelten, um Vor- und Grundschullehrern einzigartige Strategien zu vermitteln, mit denen sie Kindern effektiver das Lesen beibringen können. Die Davis-Lernstrategien versetzen die Vor- und Grundschullehrer in die Lage, den Kindern mit auf den Lebensweg zu geben, wie sie lernen können.

 

Das Pilotprojekt wurde in allen Gruppen des Kindergartens mit Kindern im Alter von 4 und 5 Jahren und mit jeder ersten Klasse des Istituto Botticelli Florenz durchgeführt.

Möglich wurde dies zum einen dank des Engagements der Schulleiterin Dr. Romolini und zum anderen dank der Begeisterung und der Motivation der Lehrerinnen, mit neuen Herangehensweisen zu experimentieren. Sie absolvierten im September 2014 eine spezielle Fortbildung zu den Davis-Lernstrategien mit Fachleuten des Davis Lernverbandes und wurden im Laufe des Jahres von der Koordinatorin und Mentorin des Projektes Dr. Migliorini begleitet.

 

Allen Schülern wurden folgende Lernstrategien beigebracht, die von R. D. Davis entwickelt wurden:

  • Die Davis Aufmerksamkeits-Strategien ermöglichen den Schülern, die Fähigkeit zu entwickeln, körperlich und geistig vollkommen auf die Lernaufgabe fokussiert zu sein.
  • Die Davis Symbolbeherrschung: dadurch erwerben die Schüler die Fähigkeit, das Alphabet, Satzzeichen und Basis-Wörter zu meistern; dies stellt eine spielerische und einfache Alternative zur Arbeit mit Papier und Bleistift und/oder Übungen dar.
  • Die Davis Lese-Strategien ermöglichen den Schülern das Erkennen und Verstehen von Wörtern mit Hilfe eines Verfahrens, das über die traditionelle auf Phonetik basierende Art zu lehren hinausgeht.

Da diese Strategien unabhängig von anderen Methoden anwendbar sind, konnten sie einfach in den bestehenden Lehrplan eingefügt werden.

 

Durch die Aufmerksamkeitsstrategien lernten die Kinder, weniger auf Ablenkungen zu reagieren und ihre Aufmerksamkeit auf die Aufgabe zu richten und halten zu können.


Wir sagen unseren Kindern und Schülern häufig, dass sie aufpassen und sich konzentrieren müssen – aber bringen wir ihnen auch bei, wie sie das umsetzen können?

Die Davis-Lernstrategien ermöglichen dies mit Hilfe einfacher Techniken und Freude am Tun und sind überdies sehr effektiv. Die Kinder lernen dies auf natürliche Weise und sind in der Lage, diese Strategien anzuwenden, wenn es sich in einer Situation als notwendig erweist.

Da wir mit Hilfe der Aufmerksamkeit auch auf unsere Erinnerung zurückgreifen können, ist fokussierte Aufmerksamkeit nicht nur wichtig, um Neues zu lernen, sondern auch um uns zu erinnern. Aufmerksamkeit und Gedächtnis sind eng miteinander verbunden.

 

Die Strategien zur sowohl individuellen als auch gemeinsamen Energieregelung wurden abschließend eingeführt, waren deswegen aber nicht weniger wichtig als die anderen.

 

Für alles, was wir tun, brauchen wir die dafür geeignete Energie. Wir müssen auch lernen, die richtige Energie dort einzusetzen, wo sie gebraucht wird. Mit den Davis-Lernstrategien lernten die Kinder, ihre Energieregler einzustellen; die Lehrerinnen beschwerten sich danach auch nicht mehr über turbulente Klassen.

 

Die Strategien zur Symbolbeherrschung berücksichtigen unterschiedliche Persönlichkeiten ebenso wie unterschiedliche Lernstile. Unterschiede in der individuellen Wahrnehmung erklären, warum jeder von uns sensorische Informationen anders erlebt und die Realität anders sieht. Selbst die Art des Denkens ist unterschiedlich: Einige Kinder nutzen bereits in der ersten Klasse verbale Denkmuster und sind in der Lage auch in Lauten und Worten zu denken. Andere entwickeln dies später und denken zunächst ausschließlich in nonverbalen Denkmustern, wobei wir alle zunächst die nonverbale Art des Denkens entwickeln. Diese ist häufig sehr bildhaft. Viele Legastheniker nutzen vor allem die visuellen Sinneskanäle und sind folglich Bilderdenker.

 

Und wenn wir uns klar machen, dass ein Kind von dem Tag an, an dem es die Augen zum ersten Mal öffnet, in eine Welt der Bilder eintaucht, können wir auf einmal verstehen, warum diese Art des Lernens heute weit verbreitet ist – nicht nur bei Legasthenikern.

 

Wissenschaftler betonten immer, dass Kreativität ein Teil des Lernprozesses ist. Davis Symbolbeherrschung basiert auf Kreativität. Wir denken dabei selbstverständlich nicht an Kreativität als einen Erfindungs- oder Schöpfungsprozess, sondern beziehen uns auf das grundlegende Verfahren, nach dem wirkliches Lernen stattfindet, welches zu einem klaren, vollständigen und genauen Verständnis jedes Symbols und/oder jedes Wortes in Schriftform, Klang und Bedeutung führt.

Jede wirkliche Kenntnis basiert auf Erfahrung. Durch die persönliche Darstellung der jeweiligen Erfahrung in Form gekneteter Szenen bzw. Bilder lernt man, die Symbole zu beherrschen.

Dieser Weg ist abwechslungsreich, originell und wirksam. Er berücksichtigt zudem aktuellste Erkenntnisse aus der Lernforschung.

Die Lese-Strategien werden bei den Davis-Lernstrategien in drei Teile gegliedert: das sogenannte

  • Buchstabier-Lesen (zunächst visuelles Erkennen der Buchstaben und anschließende Lauterfassung)
  • Gleiten-Gleiten-Buchstabieren (visuelles Erkennen des Wortes)
  • Bild-am-Satzzeichen (Lese-Verstehen).

Um diese dritte Lesestrategie, die in der zweiten Klasse angewandt wird, durchzuführen, wird vorausgesetzt, dass die Schüler den Klang und die bildhafte Bedeutung von 200 bildlosen Wörtern der (italienischen) Sprache beherrschen und diese auch schreiben können. Daher müssen Schülerinnen und Schüler viel mit der Sprache arbeiten, was in einem entsprechenden Lehrplan bis zur fünften Klasse organisiert wird. Ziel ist, dass alle Schüler der Klasse – Legastheniker oder nicht – die 1000 Wörter beherrschen, die den Grundwortschatz ausmachen.

 

Für einen weiteren Nachweis der Gültigkeit des Verfahrens dokumentierten und werteten wir auch bei einigen getesteten legasthenen Schülern die individuelle Begleitung durch ein Davis-Korrekturprogramm aus, um seine Wirksamkeit bei offensichtlicher Legasthenie zu überprüfen. Alle Eltern und Klassenlehrer von Kindern, die an diesem Projekt teilnahmen, konnten aus erster Hand die Fortschritte der Kinder sehen (dargestellt auf einer Skala von 1 bis 5 mit einem Ausgangspunkt zwischen 0 und 1 und einem Endergebnis der Bewertung durch Lehrer und Eltern zwischen 4 und 5).

 

Sowohl die Eltern als auch die Lehrer der in das Projekt eingebunden Klassen waren sehr zufrieden über die im Verlauf des Schuljahres erzielten Ergebnisse. Alle Abschlussberichte waren positiv. Die Davis-Lernstrategien trieben die guten Schüler an und schützten jene Schüler, die durch Leserechtschreibprobleme gefährdet waren.

 

Das Lehrerkollegium beschloss, dieses Projekt im Schuljahr 2015-2016 in allen Klassen fortzusetzen, sowie alle neuen ersten Klassen der Grundschule und alle Kindergartengruppen neu miteinzubeziehen.

 

Dank der Davis-Lernstrategien sind wir in der Lage, alle Fragen im Zusammenhang mit Schule und Legasthenie wirksam anzugehen. Die Davis-Lernstrategien stellen eine Revolution im italienischen System dar, welches immer noch in einer ausschließlich phonetischen Entschlüsselung der Schriftsprachsymbole verankert ist, die traditionell verwendet wird, um das Lesen und das Schreiben zu lehren. Der Schulleiter und die Lehrer des Istituto comprensivo Botticelli hatten den Mut, Grenzen zu überschreiten, um mit diesem neuen Weg zu experimentieren. Sie hatten den "Wunsch" und die Neugier, mehr zu wissen, so wie Steve Jobs in einer berühmt gebliebenen Rede an der Stanford University erklärte: "Stay hungry, stay foolish!"

 

 

Dr. Cordelia Migliorini

Davis-Lernstrategien-Mentorin

Davis-Beraterin, Florenz, Italien

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